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Farbe und Musik sind für ein menschliches Dasein fast von gleicher
Bedeutung wie die Sprache. Harmonische Farben oder Musik beruhigen, Disharmonien
deprimieren und regen auf. Das Wohlgeordnete galt
bis ins 20. Jh. als Ideal des Schönen, dem klassischen Harmoniebegriff.
Ein gesellschaftlich bedingter Umbruch ästhetischer Werte zu Zeiten
des Expressionismus und Kubismus ließ die klassische Bild-harmonie
nur noch im „Kitsch“ zu. Bei Kleidung, Wohnungsgestaltung oder in der Medienwelt
hat die Farbharmonie aber immer mehr an Bedeutung gewonnen und ist in vielen
Lebenssituationen erforderlich. Mit unauffälligen Farben ist eine
harmonische Übereinstimmung ohne Störung leicht realisierbar,
wirkt aber mit der Zeit nicht anregend und fordert Farbabwechslung. Farbharmonie
entsteht, wenn zwischen den Farben eine ausgewogene Ordnung und Koordination
besteht und Gegensätze ausgeglichen werden, wobei die Harmonie auch
eine subjektive Empfindung des Betrachters darstellen kann. Theoretisch
bezieht sich die Feststellung der Farbharmonie allerdings meistens ausschließlich
auf den Farbton selbst ohne Berücksichtigung der Sättigungs-
und Helligkeitsbeziehungen. Mit willkürlich ausgewählten Farben
wird nur äußerst selten eine ausgewogene Farbharmonie hergestellt.
Eine Farbharmonie wird meist unbewusst empfunden und führt zu
Wohlbehagen und einem angenehmen Gefühl. Ein jeder freut sich, wenn
er einen Regenbogen sieht, jeder ekelt sich vor giftgrünen Blutmonstern
auf der Geisterbahn, die farblich einen Missklang darstellen. Daraus folgt
das Prinzip für Disharmonien: Eine Disharmonie stellt sich ein, wenn
dem Gehirn etwas Widersprüchliches oder Enervierendes dargeboten wird.
Harmonie entsteht oft, wenn sich die Farbklänge oder Farbakkorde nach
den klassischen, ästhetischen Gesetzen begründen lassen, die
jedoch in anderen Kulturen keine Gültigkeit haben müssen und
individuell auch verdrängt werden können.
Ittens` Farbkontraste werden in der Harmonielehre sinnvoll angewandt und haben da auch ihre Berechtigung. Keiner, so behaupte ich einfach, kommt gegen das „Schöne“ im Regenbogen an, ohne sich selbst zu belügen! |
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Farbakkordik . |
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Schon in der Antike wurde sowohl in der Musik als auch in der Malerei
Wert auf Harmonie gelegt. Aus schriftlichen Überlieferungen kennt
man die Farbakkordik der griechischen Wandbilder, die doch schon längst
zerstört waren. In der Musik kennt man Dur- und Moll- Dreiklänge,
die klassischen Akkorde, wie auch in der Kunst.
Johannes Itten (1888 – 1967) stellt in seinem Buch „Kunst der Farbe“ Farbklänge aufgrund ihrer gesetzmäßigen Beziehungen zusammen. Die Akkorde bestehen mindestens aus 2 oder mehr Farben.
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Zweiklänge stehen sich in Runges Farbkugel über den grauen Mittelpunkt hinweg oder in Ittens´ Farbkreis diametral bzw. komplementär gegenüber. | ||||||||||
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Dreiklänge entstehen meist als gleichschenkliges Dreieck im Itten´schen Farbkreis, der Urdreiklang: Gelb- Rot- Blau ist dabei sogar gleichseitig. Auch da wird das Dreieck wieder auf dem Mittelpunkt der Farbkugel gelagert, wenn sich die Farben nach Weiß oder Schwarz bewegen. | ||||||||||
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Vierklänge entstehen, wenn man 2 komplementäre Farbenpaare auswählt, die senkrecht zueinander stehen und somit ein Quadrat entsteht. Ebenso ist es mit einem Rechteck oder einem Trapez. Immer gelagert am Mittelpunkt der Kugel. | ||||||||||
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Sechsklänge haben das gleiche Schema nur mit einem gleichseitigen
Sechseck. Dabei entstehen interessante Farbzusammenhänge.
Wie in der Musik die Tonleiter, lässt sich auch die Farbe
auf eine Tonleiter übertragen.
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Wenn über unser Sehorgan etwas Widersprüchliches oder Unerträgliches
dem Gehirn zugeführt wird, entsteht immer eine Disharmonie. Dies kann
sowohl durch ungünstige Strukturen als auch durch sich „beißende“
Farben geschehen. In der ersten Grafik fällt jedem die Disharmonie
sicherlich auf. Es erinnert an Töne und Klänge aus der Musik,
bei denen ein # oder b vergessen wurde. Laut Otto Philipp Runge (1777-1810)
entsteht Disharmonie durch das Zusammenwirken der reinen Farben.
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Runge nennt den Kreis der aus den reinen Farben besteht einseits disharmonisch, weil dieser Kreis sich in der Mitte zu einem mittleren Grau mischt, an anderer Stelle ist für ihn der Äquator seiner Farbkugel aber dennoch harmonisch. .
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Wir empfinden Disharmonie, wenn eine ungeordnete Ähnlichkeit oder
eine Ungleichartigkeit vorliegt, dem Blick also eine gewisse Unsicherheit
vorliegt.
Wie der Geruch aus einem Schweinestall -, wie das Blenden des Halogenlichts einer Polizei- Vernehmungslampe oder auch der Lärm eines Presslufthammers kann auch das Auge durch divergierende Formen und sich „beißende“ Farben gefoltert und überreizt werden.
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Disharmonie absichtlich in der Malerei herbeizuführen, ist äußerst
schwierig und hängt nur selten von der Farbauswahl ab, denn eine Farbdissonanz
kann durchaus als angenehm reizend wirken. In der Musik allerdings ist
für viele „Sangesfreunde“, die sich nie mit moderner 12- Ton- Musik
oder Free Jazz befassten, Disharmonie schnell unerträglich.
Harmonie, wie auch Disharmonie, lassen sich heutzutage nicht mehr so ohne
weiteres in Gesetze fassen, da wir individuell durch Überfluss an
äußeren Reizen viel zu leicht manipulierbar sind. „Über
Geschmack lässt sich nicht streiten! “ Zusammenfassend
läßt sich feststellen, dass eine Disharmonie durch Schaffung
von Unterschieden und gleichmäßigen Veränderungen oder
durch stetige Wiederholung vermieden und wieder als harmonische Ordnung
empfunden werden kann.
Ganz schlimm hat mein ehemaliger Schulleiter
ein ungeschicktes Farbsystem auf "unserer" web-site: völlig farbdisharmonisch
angewendet. Ein Affe am Klavier könnte
kaum disharmonischere Akkorde anschlagen. Ein solcher Farbmisakkord, den
ich etliche Male kritisiert habe,
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Harmonische Farbanwendung . |
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Es gibt viele verschiedene Ansichten über Farbharmonie; aber keine
kann für sich Allgemeingültigkeit beanspruchen. Goethe wollte
seine `Harmonie- Theorie` ausdrücklich zum ästhetischen Gebrauch
in der Malerei überliefert wissen. Mein Vater, ein sehr beliebter
Volksschullehrer und begabter Kunstmaler, brachte mir das Malen bei und
empfahl mir, in jedem Gemälde alle 3 Grundfarben möglichst gleich-
mäßig zu verwenden, was mir zu vielen gelungen Bildwerken verholfen
hat.
Itten bezieht sich in seiner Harmonielehre auf die Kunst der letzten Jahrhunderte und lässt Farbharmonie nur zu, wenn sich die verwendeten Farben ein neutrales Grau vermischt ergeben. Für ihn sind alle Farbzusammenstellungen, die vermischt kein Grau ergeben, disharmonisch oder expressiv. Dies mag ja für die Malerei bis ins 20. Jh. Gültigkeit gehabt haben. Die objektive Farbharmonie kann jedoch nicht so ohne weiteres aus dem subjektiven Farbempfinden getrennt werden. In vielen Lebensbereichen muss daher eine ganz andere Farbharmonie angewendet werden. |
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So sind im Wohnbereich für den Farbgestalter der individuelle Geschmack, die Wohnatmosphäre wie auch die Behaglichkeit zu berücksichtigen. |
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